Neuer Entwurf der BaFin zum AIF-Erlaubnisverfahren

BaFin modernisiert das Genehmigungsrecht – Aufbruch zu einer neuen Ära der Investmentaufsicht. Wie der überarbeitete Entwurf zum AIF-Merkblatt die Finanzregulierung transparenter, digitaler und praxisnäher machen soll – und welche juristischen Fragen sich nun stellen.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 30. Juni 2024 einen entscheidenden Impuls zur Modernisierung des deutschen Investmentaufsichtsrechts gesetzt. Mit der jüngsten Konsultation des neuen Entwurfs ihres Merkblatts zum Erlaubnisverfahren für AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften gemäß § 22 KAGB bringt sie Bewegung in ein Feld, das lange als komplex, schwerfällig und bürokratisch galt. Ziel ist es, die Zulassungsverfahren für alternative Investmentfonds (AIF) zu vereinfachen, zu beschleunigen und an die digitale Realität des Kapitalmarktes anzupassen – ein Vorhaben, das sowohl für Fondsinitiatoren als auch für die Finanzpraxis erhebliche Bedeutung hat.

Hintergrund: Der Markt alternativer Investmentfonds hat in den letzten Jahren ein beeindruckendes Wachstum erlebt. Laut Statista und BaFin-Finanzmarktstatistik belief sich das in deutschen AIFs verwaltete Vermögen Ende 2023 auf rund 930 Milliarden Euro, ein Plus von fast 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit ist der AIF-Sektor zu einem zentralen Bestandteil der institutionellen und privaten Kapitalanlage geworden – von Immobilien- und Infrastrukturfonds bis hin zu Private-Equity- und Kreditstrategien. Gleichzeitig klagen Marktteilnehmer aber über langwierige Genehmigungsprozesse, uneinheitliche Verwaltungspraxis und mangelnde digitale Schnittstellen zur Aufsicht.

Vor diesem Hintergrund stellt der BaFin-Entwurf eine wichtige Wegmarke dar: Er soll die Regulierungspraxis nicht nur modernisieren, sondern auch das Verhältnis zwischen Aufsicht und Marktakteuren neu definieren – weg von der reaktiven Kontrolle, hin zur partnerschaftlichen Steuerung.

Doch was bedeutet diese Öffnung tatsächlich für die Praxis? Wird die angestrebte Beschleunigung auch die rechtliche Klarheit fördern – oder droht die neue Flexibilität, auf Kosten der Rechtssicherheit zu gehen? Und vor allem: Wie kann eine Aufsichtsbehörde zwischen wachsendem Marktinteresse, europäischem Druck zur Harmonisierung und dem Schutz der Anlegerinteressen den richtigen Kurs halten?

Für Dr. Thomas Schulte, Berliner Rechtsanwalt mit Schwerpunkt im Kapitalmarktrecht, steht fest: „Dieser Entwurf ist mehr als ein bloßes Verwaltungsupdate – er ist ein juristischer Meilenstein, der zeigt, wie Regulierung im 21. Jahrhundert funktionieren kann: digital, transparent und zugleich rechtlich belastbar.“

Wesentliche Ziele der Neufassung

Der überarbeitete Entwurf verfolgt zwei übergeordnete Ziele: einerseits die Vereinfachung des Verfahrens für Unternehmen, die als Kapitalverwaltungsgesellschaften tätig sein wollen, und andererseits die Verkürzung der Prüf- und Bearbeitungszeiten innerhalb der BaFin. Die Behörde geht ausdrücklich auf bisherige Defizite ein, insbesondere hinsichtlich des Formats, Umfangs und Inhalts der vorzulegenden Unterlagen, die oftmals zu Rückfragen und Verzögerungen führten. Aus Sicht der anwaltlichen Praxis begrüße ich diese Neuerung sehr, da hiermit Rechtssicherheit und Effizienz maßgeblich gesteigert werden.

Die Finanzaufsicht hat verstanden, dass die Sprachlosigkeit zwischen Regulator und regulierten Institutionen zu erheblichen volkswirtschaftlichen Effizienzverlusten führen kann“, so Schultes Einschätzung.

Detaillierung der Anforderungen

Das neue Merkblatt schafft durch präzise Vorgaben für die Antragstellung Transparenz für potenzielle Marktteilnehmer. Es enthält klare Anforderungen zu den einzureichenden Nachweisen, insbesondere bei der Beurteilung der fachlichen Eignung von Geschäftsleiterinnen und Geschäftsleitern. Die BaFin macht deutlich, dass sie bei der Bewertung des sogenannten „Fit & Proper“-Tests erheblich auf die Darstellung beruflicher Erfahrungen, Führungsqualitäten und Integrität abstellt.

Nach § 22 Abs. 1 KAGB hat eine Kapitalverwaltungsgesellschaft umfangreiche Unterlagen vorzulegen, um ihre Erlaubnis zu beantragen. Dazu gehören insbesondere Angaben über:

„die Personen, die zur Leitung der Geschäfte bestimmt sind, wobei deren Zuverlässigkeit und fachliche Eignung im Sinne des § 23 Absatz 1 glaubhaft zu machen ist.“

Die Formulierung zeigt eindeutig, dass bereits die Qualifikationen der Geschäftsleitung ausschlaggebend für die Erlaubniserteilung sind. Umso hilfreicher ist es, dass das neue Merkblatt praktikable Hinweise gibt, wie diese Eignung zu dokumentieren ist.

Ein Blick auf die Praxistauglichkeit

Alltäglich wird deutlich, dass Unternehmen bei einer AIF-Erlaubnis überfordert sind – nicht wegen etwaiger Untauglichkeit, sondern wegen der Ungewissheit, welche Dokumente im Detail erforderlich sind. Der neue BaFin-Entwurf wirkt dieser Unsicherheit entgegen. Die nun formulierte Erwartungshaltung der BaFin ist besser strukturiert, nachvollziehbar und erlaubt es, proaktiv vollständige Anträge einzureichen.

Die Standardisierung der Anforderungen entlastet nicht nur die Antragsteller, sondern führt auch dazu, dass weniger Rückfragen seitens der Aufsicht erforderlich sind. Das spart wertvolle Zeit und ermöglicht Innovationen schneller in den Markt zu bringen. Gerade in einer Zeit, in der FinTechs und alternative Finanzierungsmodelle sprießen, ist eine agile, aber verlässliche Regulierung essenziell.

Rechtsstaatliche Perspektiven

Nicht nur aus ökonomischer Sicht, sondern auch unter dem Blickwinkel des Rechtsstaatsprinzips ist eine transparente Regulierung zu begrüßen. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt betont, dass hoheitliche Eingriffe – etwa durch BaFin-Aufsicht – berechenbar, verhältnismäßig und nachvollziehbar sein müssen. In dem 2008 ergangenen Urteil zur Verwaltungsvorschriften stellte das Gericht klar, dass Bürger und Unternehmen ein schutzwürdiges Interesse daran haben, verwaltungsrechtliche Bewertungen im Vorfeld zu erkennen und berücksichtigen zu können. Das neue BaFin-Merkblatt trägt diesem rechtsstaatlichen Erfordernis in herausragender Weise Rechnung.

Einblick in konkrete Neuerungen

Neben der Klarstellung zu den Anforderungen an das Leitungspersonal und die konkreten Inhalte des Antrags wird auch bei den organisatorischen Voraussetzungen präzisiert, welche Governance-Strukturen vorhanden sein müssen. Die BaFin legt dar, wie interne Kontrollmechanismen, Risiko-Management-Systeme und Compliance-Funktionen ausgestaltet sein sollen. Diese Anforderungen sollen nicht nur dokumentiert, sondern auch in einem konsistenten Unternehmenskonzept abgebildet werden.

Juristen wie Dr. Schulte sehen hier einen weiteren Vorteil: „Indem die Anforderungen nicht nur formaler Natur sind, sondern auf inhaltlicher Kohärenz bestehen, wird klar, dass der Lizenzantrag kein bloßes Rechtsformular ist, sondern Ausdruck einer strategischen Unternehmensführung.“

Beteiligung der Öffentlichkeit und Fristsetzung

Bemerkenswert ist die Einbindung der Öffentlichkeit. Die BaFin rief explizit sowohl Branchenvertreter als auch Rechtsanwälte und Verbände zur Stellungnahme auf. Diese konnten bis zum 30. September 2025 unter der eigens eingerichteten E-Mail-Adresse Konsultation-17-25@bafin.de ihre Einschätzungen einreichen. Damit verschafft die Behörde der Praxis eine Stimme, ein vorbildliches Signal demokratischer Partizipation auf Verwaltungsebene.

Die Erfahrung zeigt, dass Konsultationen dieser Art nicht nur symbolischen Wert haben, sondern tatsächlich in modifizierte Endfassungen münden. Als Jurist empfehle ich daher jedem Marktteilnehmer, sich – idealerweise rechtlich begleitet – an der Konsultation zu beteiligen.

Internationale Relevanz und europäische Konformität

Dr. Thomas Schulte, Anwalt für Verbraucher
Dr. Thomas Schulte, Anwalt für Verbraucher

Durch die Neuausrichtung des Merkblatts erfolgt eine Annäherung an europäische Standards, insbesondere jene der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Deutsche Kapitalverwaltungsgesellschaften bewegen sich in einem grenzüberschreitenden Marktumfeld. Einheitliche Mindestanforderungen, wie sie das neue Merkblatt intendiert, helfen, Doppelregulierungen zu vermeiden, und erleichtern die Zusammenarbeit mit europäischen Aufsichtsbehörden.

„Die Harmonisierung des Erlaubnisverfahrens mit den unionsrechtlichen Vorgaben ist nicht nur verfassungsmäßig geboten, sondern auch standortpolitisch klug“, so Dr. Schulte.

Chancen für Start-Ups und KMU

Ein weiterer Aspekt ist die Öffnung des Kapitalverwaltungsmarkts für kleinere Anbieter. Start-Ups, die in den Bereich alternativer Investmentfonds vordringen wollen, hatten es bislang oft schwer, die komplexe Formalbürokratie zu durchdringen. Der neue Entwurf bietet ein digitales Sprungbrett – klar strukturierte Anforderungen, abrufbar auf den Seiten der BaFin, reduzieren Rechtsunsicherheiten und senken die Markteintrittshürden.

Junge Unternehmen, die sich im regulatorischen Dschungel verirren, finden nun Orientierung in einem transparenten Verfahren“, erklärt Dr. Schulte, der über langjährige Erfahrung im Bereich der Unternehmensgründungsberatung verfügt.

Ausblick auf die Weiterentwicklung

Natürlich ist bisher nicht absehbar, wie die finale Fassung des Merkblatts aussehen wird. Stellungnahmen aus der Praxis werden voraussichtlich zu weiteren Anpassungen führen. Doch in seiner jetzigen Gestalt zeigt der Entwurf bereits, wohin die Reise geht: zu einem modernen, fairen und effizienten Regulierungssystem. Die BaFin macht Ernst mit ihrem Anspruch, aufsichtsrechtlich nicht zu blockieren, sondern zu ermöglichen.

“Als Jurist, der oft zwischen Mandanten und Behörden vermittelt, begrüße ich diese Klarheit ausdrücklich. Denn Rechtssicherheit ist nicht nur eine juristische Maxime – sie ist eine Voraussetzung für Innovation, Vertrauen und Wachstum”, so Dr. Schulte.

Fazit: Regulierung im Wandel – zwischen Präzision, Praxis und Perspektive

Mit dem Entwurf des neuen Merkblatts zum Erlaubnisverfahren für AIF-Kapitalverwaltungsgesellschaften vollzieht die BaFin einen Schritt, der weit über technische Anpassungen hinausgeht. Es ist ein Signal an die Branche, dass Regulierung nicht länger als Hemmschuh verstanden werden muss, sondern als Gestaltungsrahmen für Transparenz, Stabilität und Vertrauen. Der Entwurf ist damit Ausdruck eines Paradigmenwechsels – von der reinen Kontrolle hin zur kooperativen Aufsicht, die den Markt nicht bremst, sondern in geordnete Bahnen lenkt.

Juristisch betrachtet stellt sich die spannende Frage, ob dieser Modernisierungsschub auch eine neue Ära des Verwaltungsrechts im Finanzwesen einleitet. Denn das Zusammenspiel zwischen formaler Rechtssicherheit und digitaler Effizienz bleibt eine anspruchsvolle Balance. Wie viel Flexibilität darf die Aufsicht sich selbst zugestehen, ohne die Grundsätze der Gleichbehandlung oder der Verlässlichkeit zu gefährden? Und wie lässt sich die zunehmende Automatisierung von Entscheidungsprozessen mit dem rechtsstaatlichen Gebot der Einzelfallprüfung vereinen? Genau hier liegt der künftige Prüfstein des Entwurfs.

Aus praktischer Sicht ist klar: Unternehmen, die künftig alternative Investmentfonds verwalten wollen, sollten sich frühzeitig rechtlich begleiten lassen. Denn der Entwurf mag Prozesse vereinfachen – er verschärft zugleich die Erwartungen an die interne Organisation, Risikosteuerung und Dokumentationspflicht. Wer hier rechtzeitig Expertise einbindet, kann nicht nur Genehmigungen beschleunigen, sondern auch spätere Beanstandungen vermeiden.

Für Dr. Thomas Schulte markiert der Entwurf eine neue Qualität regulatorischer Kultur: „Die BaFin zeigt, dass sie verstanden hat, was moderne Aufsicht bedeutet – nicht mehr nur beaufsichtigen, sondern begleiten. Damit rückt sie näher an das Ideal einer vorausschauenden, dialogorientierten Regulierung, die Wirtschaftsfreiheit und Verbraucherschutz in Einklang bringt.“

Aus gesellschaftlicher Perspektive ist dies ein Gewinn. Denn wenn Aufsicht, Recht und Markt intelligenter zusammenwirken, entsteht ein Finanzsystem, das nicht nur effizient, sondern auch gerecht funktioniert. Die Zukunft der Finanzregulierung entscheidet sich nicht im Paragraphenwerk – sondern im Vertrauen zwischen Aufsicht und Marktteilnehmern, das dieses Merkblatt neu zu definieren versucht.

Autor: Mgr. Valentin Schulte, Dipl.-Jur. – Experte für rechtliche Beratung

Valentin Schulte bringt ein einzigartiges Zusammenspiel aus ökonomischem Know-how und juristischem Fachwissen mit. Mgr. Valentin Schulte, Dipl.-Jur. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte in Berlin. Neben dem Studium der Rechtswissenschaften erlangte er einen Magisterabschluss in Wirtschaftswissenschaften.