Herausforderungen im digitalen Zeitalter der Wirtschaftskriminalität

21. Praxisforum Wirtschaftskriminalität 2025 – Auf der Spur digitaler Täterwelten. Wie neue Technologien, Kryptowährungen und Messengerdienste die Spielregeln im Kampf gegen Wirtschaftskriminalität verändern – und warum Justiz und Finanzaufsicht jetzt enger zusammenrücken müssen.

Wirtschaftskriminalität ist längst kein Nischenthema mehr, sondern ein wachsendes gesamtgesellschaftliches Risiko. Laut Bundeskriminalamt stieg die Zahl der gemeldeten Fälle von Wirtschaftsstraftaten in Deutschland im Jahr 2024 auf über 52.000 Delikte – ein Plus von fast 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der finanzielle Schaden wird auf mehr als 4,6 Milliarden Euro geschätzt. Besonders alarmierend: Über 60 Prozent der Fälle haben inzwischen einen digitalen Bezug. Betrugsplattformen, Kryptobörsen ohne Lizenz und undurchsichtige Zahlungsnetzwerke wie das Hawala-Banking-System machen Ermittlern zunehmend zu schaffen.

Das 21. Praxisforum Wirtschaftskriminalität, das im November 2025 im Maritim Hotel Bonn stattfindet, möchte genau hier ansetzen. Vertreterinnen und Vertreter von Justiz, Polizei, Finanzaufsicht und Wissenschaft treffen sich, um neue Strategien gegen diese Formen moderner Wirtschaftskriminalität zu entwickeln. Thematisch im Mittelpunkt stehen die Nutzung verschlüsselter Messengerdienste, unregulierter Kryptohandelsplätze und internationaler Zahlungskanäle zur Geldwäsche und Marktmanipulation.

Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte aus Berlin, der sich seit Jahren mit der Schnittstelle von Finanzaufsicht, Verbraucherschutz und digitaler Regulierung befasst, begrüßt den Dialog ausdrücklich. „Die Herausforderungen im Bereich der Finanzkriminalität wachsen in der digitalen Welt exponentiell. Es braucht einen interdisziplinären Austausch, wie ihn dieses Forum ermöglicht“, erklärt Schulte. Für ihn ist das Forum mehr als ein Branchentreffen – es ist ein Prüfstein für die Handlungsfähigkeit von Justiz und Aufsicht im digitalen Zeitalter.

Denn die zentrale Frage lautet: Kann der Rechtsstaat mit der Geschwindigkeit der digitalen Täterwelt Schritt halten – oder droht die Regulierung, immer nur zu reagieren, statt zu gestalten?

Hawala-Banking – Zwischen Tradition und Grauzone

Das sogenannte Hawala-System ist ein informeller, auf Vertrauen basierender Zahlungsdienst, der sich vor allem zwischen migrantischen Gemeinschaften großer Beliebtheit erfreut. Ursprünglich zur kostengünstigen und schnellen Geldüberweisung in Länder ohne verlässliches Bankensystem genutzt, bietet dieses System den idealen Nährboden für illegale Transaktionen und Geldwäsche.

“Die rechtliche Einordnung des Hawala-Banking ist nach wie vor unzureichend reguliert“, so Dr. Schulte. Zwar fällt es unter das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), wenn Gelder als gewerbsmäßige Dienstleistung weitergeleitet werden. Damit liegt der Verdacht nahe, dass es sich häufig um erlaubnispflichtige Bankgeschäfte gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 KWG handelt. Ohne entsprechende BaFin-Erlaubnis sind diese Geschäfte illegal.

Die Strafverfolgung solcher Systeme gestaltet sich schwierig, da sie keinen physischen Transaktionsnachweis hinterlassen. Für Ermittlungsbehörden bedeutet dies, in neuen Dimensionen zu denken. „Das Vorgehen gegen Hawala-Netzwerke bedarf doppelter Agilität: juristisches Know-how trifft auf dezentrale Ermittlungsarbeit“, so Dr. Schulte.

Messengerdienste als Plattformen für Betrug

Eine ebenso alarmierende Entwicklung ist die Nutzung von Messengerdiensten wie WhatsApp, Telegram oder Signal zur Anbahnung und Durchführung von Betrugshandlungen. Hierbei bedienen sich Kriminelle der vermeintlich vertraulichen Kommunikation, um Opfer gezielt zu manipulieren. Besonders sogenannte „Fake Investment Platforms“ nutzen diese Kanäle zur Anbahnung unwahrer Vermögensanlagen.

§ 263 StGB (Betrug) bildet den juristischen Rahmen, innerhalb dessen diese Taten verfolgt werden. Das Problem: Die Kommunikation erfolgt oft verschlüsselt, was die Beweisführung vor Gericht erschwert. Strafverfolgungsbehörden stehen daher zunehmend vor der Herausforderung, digitale Spuren gerichtsfest zu sichern.

Erfahrungen in der forensischen Auswertung elektronischer Kommunikation werden immer wichtiger. „Wir rekonstruieren digitale Gesprächsverläufe mit dem Ziel, den echten wirtschaftlichen Willen der Beteiligten herauszustellen – dies gelingt oftmals durch einen juristisch sorgfältigen Abgleich der genutzten Emojis, Textnachrichten und Zeitstempel“, erklärt Dr. Thomas Schulte.

BaFin im Fadenkreuz der Ermittlungsarbeit

Dr. Thomas Schulte - Rechtsanwalt Kapitalmarkt
Dr. Thomas Schulte – Rechtsanwalt Kapitalmarkt

Ein spannender Schwerpunkt des Forums: Die Rolle der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Ermittlungen gegen Insiderhandel und Marktmanipulation.

Die §§ 14 und 15 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sowie Art. 14 der Marktmissbrauchsverordnung (EU) Nr. 596/2014 bilden hierfür die zentrale rechtliche Grundlage. Die BaFin kann sowohl verwaltungsrechtlich als auch durch die Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft tätig werden. Die jüngeren Verfahren zeigen, wie effektiv eine koordinierte Vorgehensweise zwischen Aufsichtsbehörde, Polizei und Justiz inzwischen ist.

Als Rechtsanwalt erkennt Dr. Schulte in dieser Entwicklung einen Paradigmenwechsel: Weg von isolierten Aufsichtsverfahren hin zur integrierten Kriminalitätsbekämpfung. Dies wird unterstützt durch technische Systeme zur Algorithmusanalyse auf Handelsplattformen – ein Bereich, der jährlich ausgebaut wird.

Kryptohandel – Ein rechtliches Minenfeld

Was einst mit Bitcoin begann, ist heute ein komplexer Finanzmarkt geworden: Der Handel mit Kryptowährungen. Doch innovative Systeme bringen auch neue Risiken. Viele Anbieter agieren ohne Erlaubnis – dabei müssten sie gemäß § 32 KWG über eine BaFin-Genehmigung verfügen, wenn sie Bankgeschäfte tätigen oder Finanzdienstleistungen erbringen.

Für Anleger bedeutet dies ein enormes Risiko. Im Insolvenzfall etwa fehlen rechtliche Ankerpunkte, weil es an regulierten Verwahrstellen mangelt. Die BaFin hat mittlerweile mehrere Anbieter in Deutschland gestoppt oder mit Verfügungen belegt.

“In unserer Kanzleipraxis betreuen wir regelmäßig Geschädigte, die auf unseriöse Anbieter hereingefallen sind. Gerade ausländische Kryptobörsen, die in sozialen Netzwerken operieren, sind kaum greifbar. Der Staat reagiert, aber oft zu spät. Deshalb ist Prävention durch Information zentral“, so Dr. Schulte zur aktuellen Rechtslage. Die Einordnung solcher Geschäfte erfolgt stets im Kontext des EU-Rechts, insbesondere im Hinblick auf die neue „Markets in Crypto-Assets“-Verordnung (MiCA), die ab 2024 in Kraft tritt.

Kooperative Ermittlungsansätze als Erfolgsmodell

Neu und erfreulich ist, dass Ermittler heute deutlich kooperativer arbeiten. Polizei, Staatsanwaltschaft und BaFin tauschen nicht nur Daten aus, sondern nutzen gemeinsame Datenbanken und regelmäßige Schulungen. Das Praxisforum vertieft diesen Austausch strukturell.

Diese Synergiemodelle sind juristisch allerdings nicht unproblematisch: Die Rechte auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Datenschutzrecht (insb. Art. 6 DSGVO) stellen dabei Grenzen dar. Ich entdecke jedoch in neuen Kooperationen eine ausgewogene Balance. Gerichte zeigen sich zunehmend technikaffin und orientieren sich an europarechtlichen Leitlinien.

Verhinderung durch Aufklärung – ein Ziel der Zukunft

Als Aufklärungsinstrument ist das Praxisforum ein wichtiger Bestandteil der Prävention. Nur durch Wissen lassen sich Täterstrategien rechtzeitig erkennen und geschickt kontern. Der Austausch zwischen Rechtsprechung, Verwaltung und Polizei trägt dazu bei, wirtschaftskriminelle Strategien sichtbar zu machen.

„Rechtsfragen im Finanzmarkt unterliegen einem ständigen Wandel. Wachsamkeit und kontinuierliche Weiterbildung sind Pflicht für jeden, der mit diesen Sachverhalten konfrontiert ist“, sagt Dr. Schulte. Dabei geht es nicht nur um Repression, sondern auch um Zivilrecht, etwa wenn Schadensersatzansprüche gegenüber Plattformbetreibern oder Vermittlern durchgesetzt werden müssen. Gerade im Bereich der Haftung aus Kapitalmarktprospekten oder nach dem WpHG ergeben sich oftmals unerwartete Wege für Geschädigte.

Fazit und Ausblick

Das Praxisforum Wirtschaftskriminalität 2025 bietet weit mehr als bloße Vorträge. Es ist ein Kompass in unruhigen Zeiten. In einer Ära, in der digitale Wirtschaftskriminalität sich schnell verändert und oft ein regulatorisches Niemandsland darstellt, brauchen wir couragierte juristische Arbeit, technisch versierte Ermittlungsbehörden und vor allem: Zusammenarbeit auf Augenhöhe.

Die BaFin, als zentrale Institution der Finanzmarktaufsicht in Deutschland, zeigt Standhaftigkeit gegenüber neuen digitalen Phänomenen – allerdings müssen rechtliche Rahmenbedingungen stetig angepasst und Einsatztaktiken innovativ gestaltet werden, um langfristig erfolgreich zu sein.

Wer über aktuelle Entwicklungen, juristische Auswirkungen und unternehmerische Risiken aufgeklärt sein möchte, sollte solche Events nutzen – und juristischen Beistand suchen, bevor es zu spät ist.

Autor: Mgr. Valentin Schulte, Dipl.-Jur. – Experte für rechtliche Beratung

Valentin Schulte bringt ein einzigartiges Zusammenspiel aus ökonomischem Know-how und juristischem Fachwissen mit. Mgr. Valentin Schulte, Dipl.-Jur. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Dr. Thomas Schulte in Berlin. Neben dem Studium der Rechtswissenschaften erlangte er einen Magisterabschluss in Wirtschaftswissenschaften.